— „Hey, Alter!“ — spottete Kostyán, ein großer, muskulöser Typ mit einem Tattoo am Hals. — „Warum zitterst du? Hast du Angst, heute Nacht ohne deine kleine Pille zu ersticken?“
Der Alte schwieg. Er setzte sich auf die untere Pritsche, lehnte sich gegen die Wand und hielt eine Metalltasse mit bereits kaltem Tee in den Händen. Von seinem Aussehen her war er ungefähr fünfundsiebzig Jahre alt, grauhaarig, dünn, mit blassen Augen. Sein Name war Panteley Ivanovich.
— „Antworten Sie, Großvater!“ — brüllte Kostyán und kam näher. — „Oder glaubst du, dass man dich hier respektiert, nur weil du siebzig bist? Respekt hier gewinnt man nicht durch Alter, sondern durch Taten!“
— „Ich… mische mich in niemandes Angelegenheiten ein, Sohn“, sagte der Alte leise. — „Ich habe meinen Teil im Leben erfüllt, jetzt komme ich nur noch dem Ende näher.“
— „Ha! Sohn!“ — lachte Kostyán. — „Du bist nicht mein Vater, alter Mistkerl. Mit Leuten wie dir würde ich mit einer Hand fertig werden…“
Plötzlich riss er ihm die Tasse aus der Hand. Das metallische Geräusch hallte durch die Zelle…
Die Metalltasse flog über den Beton und schlug lautstark gegen das Tischbein, der kalte Tee verschüttete sich. Für einen Moment verstummten selbst die Flüstereien in der Zelle: jeder trug seine eigene Strafzeit und seine Erinnerungen, und niemand wollte zwischen Kostyán und seinem Zorn stehen.
— „Na, Panteley“ — murmelte jemand von der oberen Pritsche — „sie werden dich in die Krankenstation schicken, dort kannst du weiter Tee warm machen…“
Panteley Ivanovich hob den Blick nicht. Er fuhr nur mit seinem knochigen Finger über den nassen Tischrand und wischte den Tropfen mit dem Ärmel seiner grauen Jacke weg. Er war jemand, der sich mit einem Blick entschuldigt und mit Schweigen dankt. In ihm war kein Anflug von Angst, und das ärgerte Kostyán noch mehr.
— „Hast du gehört, Großvater?“ — trat er noch näher. — „Hier ist es einfacher, jemanden zu treten, der sich nicht bewegt. Verstanden?“
Die Worte hingen in der Luft wie ein feuchtes Laken. Auf der Nachbarpritsche senkte Syoma der Tischler den Blick, und Tigran tat so, als spiele er mit einem abgenutzten Schachset: anstelle der weißen Dame war ein Knopf, anstelle der schwarzen ein Zigarettenstummel, doch das Spiel ging jede Nacht weiter. Alte Menschen in den Zellen klammern sich an vertraute Spiele, um ihre Gedanken nicht über das Dach verstreuen zu lassen.
— „Verstanden, Sohn“ — sagte schließlich Panteley Ivanovich und hob sanft die Tasse. Seine Lippen zitterten, entweder vor Rückenschmerzen oder vor Erinnerungen. — „Mach nur keinen Lärm. Die Wände sind dünn. Die Nacht naht.“
Kostyán lächelte und ging zu seinem Ende des Tisches, ohne zu vergessen, dem Großvater ein Stück Brot vom Hocker mit dem Ellbogen wegzuschieben. Der Alte seufzte kaum, beugte sich, hob es auf, pustete den Staub ab und legte es beiseite. Er aß es nicht einmal: er ließ es einfach liegen, wie man ein aufgeschlagenes Buch liegen lässt, um später darauf zurückzukommen.
Nach dem Aufruf zur Ruhe ging die Deckenlampe, eingesperrt in einem Metallkäfig, aus und hinterließ ein graues Rechteck Halbdunkel. Jemand schnaufte und drehte sich um; jemand betete auf dem Kissen; jemand murmelte Verse auswendig, in der Hoffnung, dass die Worte ein Boot wären, um den Sturm zu überstehen.
Kostyán schlief normalerweise sofort ein: ein schwerer, frecher Schlaf, mit Riesen-Schnarchen und frechen Träumen. Aber diese Nacht kam der Schlaf wie durch einen Spalt. Zuerst war alles wie immer: er legte sich auf die obere Pritsche, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, pfiff für sich selbst, inspizierte von oben seine kleine Festung — den Hocker, das Paket, die halb getrunkene Suppentasse — und ließ sich in den Schlaf fallen.
Zwei Stunden später hörte sein Schnarchen abrupt auf. Die Stille wurde aufmerksam wie ein Tier. Von unten war der erste, der es hörte, Syoma der Tischler: er hatte die Gewohnheit, bei jedem Geräusch aufzuwachen — in seiner Freizeit bewachte er ein Sägewerk und war für das Benzin verantwortlich. Syoma setzte sich in der Dunkelheit und lauschte: Kostyán bewegte sich. Aber seltsam — er fluchte nicht, rief niemanden. Seine Bewegung war dumpf, als kämpfte er gegen seine eigene Brust.
— „Hey, hört ihr?“, flüsterte Syoma. — „Da… atmet seltsam, wie eine kaputte Blase.“
Jemand schnaufte: „Lass ihn, weniger klagen.“ Aber Syomas Stimme war hartnäckig. In den Zellen lernt man schnell, leere Unruhe von echter Gefahr zu unterscheiden.
— „Panteley Ivanovich…“ — Syoma berührte den Rand der unteren Pritsche. — „Etwas ist mit ihm.“
Der Alte schlief nicht mehr. Er lag da, starrte in die Dunkelheit wie in einen Brunnen und hörte, wie sich der Herzschlag des Nachbarn unregelmäßig veränderte, wie die Panik wuchs. Er kannte diese Geräusche, nicht aus Büchern. Vor vierzig Jahren, in der Dorfambulanz, hatte er drei aufeinanderfolgende Wachen, ein Päckchen Kekse, eine Kerosinlampe und ein einziges EKG-Gerät gehabt, das funktionierte, wenn man leicht unter dem Griff klopfte. Er wusste, wie sich innere Organe manchmal in erschreckte Vögel verwandelten. Und wie man sie überzeugt, zu bleiben.

— „Syoma, mach das Licht an.“
Er gehorchte und entzündete eine selbstgemachte „Kerze“: Watte auf einem Büroklammerdraht, ein Stück Seife – der Geruch von Kindheit, Armut und Ausdauer.
Die Flamme flackerte und beleuchtete Kostyáns dunkles Gesicht. Groß, selbstbewusst, frech – aber jetzt fremd: blaue Lippen, Schweiß an der Schläfe, runde Augen suchten nach Luft, wie jemand in der Menge nach einer geliebten Person sucht – und sie nicht findet.
— „Ruhig, ruhig“, sagte Panteley Ivanovich, wie beim Beruhigen eines Fohlens. — „Das ist Panik und Herz. Atme langsam. Sieh mich an.“
Er streckte die Hand aus und legte seine trockene, buchenharte Hand über Kostyáns breite Hand. Haut auf Haut: Alter und Jugend, Angst und Erfahrung. In diesem Kontakt lag mehr Kraft als in jeder Drohung.
— „Luft…“ — keuchte Kostyán und versuchte aufzustehen. — „Reicht… nicht…“
— „Bringt Wasser“, sagte der Alte knapp. — „Und… ja, meine Tablette. In der Tasche, Syoma. Innen, links.“
— „Willst du ihn heilen?“ — konnte Tigran nicht zurückhalten. — „Aber er…“
— „Schnell“, wiederholte Panteley Ivanovich ruhig. — „Wir reden später.“
Der „Großvater“ hatte nie viele Worte, und wenn er bat, hörte man meistens. Syoma griff in die hängende Jacke, suchte das harte Blisterpäckchen mit der vorsichtig umgefalteten Ecke und legte die runde Tablette in die Hand des Alten.
— „Unter die Zunge“, sagte Panteley. — „Nicht schlucken. Atme mit mir. Eins… zwei…“ — er fing Kostyáns Blick und hielt ihn, wie man jemanden am Rand eines Abgrunds anhält. — „So. Ohne Eile. Du bist jetzt kein Held oder Chef. Du bist Mensch, Kostya. Nur Mensch. Erlaube dir, es zu sein.“
Kostyán, gewohnt, anderen das Atmen zu befehlen – die Angst anderer zu erwürgen, Furcht ins Gespräch zu mischen – gab nun zum ersten Mal in seinem Leben sich selbst den Befehl. Er sah in diese alten, blassen Augen, ohne Spur von Bosheit, und fühlte einen Moment lang Scham wegen des Tritts gegen die Tasse, wegen des Lachens, wegen „alter Mistkerl“. Er fühlte Scham – und Erleichterung.
— „Noch einmal…“ — sagte der Alte. — „Noch einmal. Gut. Der Rhythmus wird sich ausgleichen. Es war nicht umsonst, dass ich so viele Jahre den Menschen zugehört habe.“
— „Wer bist du?“ — fragte Kostyán heiser.
— „Arzt“, antwortete der Alte kurz. — „Einmal. Sanitäter. Man nannte mich ‚die Hand Gottes‘. Dann begann ein anderes Leben: Papiere, Unterschriften, Staatsanwaltschaft… Nun ja. Es ist nicht wichtiger als dein Atem.“
Er sagte nicht, warum er im Gefängnis war. Es war nicht die Zeit für lange Geschichten. Er hielt einfach die fremde Hand – nicht mit eiserner Kraft, sondern mit einem ruhigen Band, wie ein Ankerseil, das ein Boot am Schiff hält.
Zehn Minuten später wurde Kostyáns Gesicht etwas rosiger. Syoma begann, den Schweiß mit einem schmutzigen Tuch abzutupfen, manchmal still das Kreuzzeichen machend. Tigran, den Atem anhaltend, begriff plötzlich, dass all seine scharfen Scherze Papiermesser waren: sie schneiden nur Papier, hier gab es Fleisch, Knochen, Herz – alles real.
— „Fühlst du dich besser?“ — fragte Panteley.
Kostyán nickte, überrascht, Tränen auf seinen Wimpern zu entdecken. Er blinzelte wie ein Kind, dem man den Hut wegnimmt, und senkte den Blick.
— „Du… warum…?“ — fand keine Worte und sagte schließlich das Einfachste: — „Wozu?“
— „Weil außer uns hier niemand in diesem Raum ist“, antwortete der Alte. — „Und wenn wir uns nicht gegenseitig helfen, wer wird es tun? Du bist stark. Du nimmst viel für dich. Wissen zu nehmen ist gut. Aber wissen zu geben, ist nützlicher. Merke es dir, Kostya. Nicht für mich – für dich.“
Er zog seine Hand zurück. Die Lampe flackerte, als hätte sie ein Geheimnis gehört, und erlosch wieder. Die Nacht schloss sich erneut, wie Wasser. Aber jetzt schwebte eine andere Stille: keine Bedrohung, sondern Ruhe.